Grußwort des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz
Liebe Mitglieder des Senegalhilfe-Vereins, sehr geehrte Gäste,
ich bedauere es sehr, heute nicht gemeinsam mit Ihnen das 20-Jährige Bestehen des Senegalhilfe-Vereins feiern zu können, und nutze gerne die Möglichkeit, Sie auf diesem Weg herzlich zu grüßen.
Die hervorragende Arbeit, die der Senegalhilfe-Verein leistet, verdient höchste Anerkennung. Ihre Unterstützung setzt da an, wo sie am nötigsten und am wirkungsvollsten ist: direkt bei den Menschen. Ähnlich versuchen wir, im Rahmen der so genannten „Graswurzelpartnerschaft“ des Landes Rheinland-Pfalz zu dem afrikanischen Staat Ruanda durch unmittelbaren Kontakt der Menschen Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Ihr Verein organisiert Projekte zur Kinderbetreuung und zur Berufsausbildung, zur Frauenförderung und zur Krankenversorgung, zur Entwicklung der Landwirtschaft und zur Kulturpflege. Ihr Hauptaugenmerk liegt mit Ihrer Behindertenarbeitauf dem Teil der Bevölkerung, der es auch in der afrikanischen Gesellschaft schwer hat. Allein die Fülle Ihrer Tätigkeitsbereiche macht deutlich, wie viel Einsatz Sie aufbringen müssen, um alle guten Ideen zu verwirklichen. Die Würdigung von ehrenamtlichem Engagement in Rheinland-Pfalz liegt mir sehr am Herzen. Deshalb ist es mir eine ganz außerordentliche Freude zu sehen, dass sich im Senegalhilfe-Verein nun schon seit 20 Jahren Menschen finden, die bereit sind, die Not anderer wahrzunehmen und tatkräftig Hilfe zu leisten. Ich darf Ihnen auch in diesem Sinne zu Ihrem Jubiläum sehr herzlich gratulieren.
Für die Zukunft wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer wichtigen Arbeit und hoffe, dass Sie immer wieder Mitstreiterinnen und Mitstreiter finden, die sich mit Ihnen gemeinsam für Verbesserung der Lebensbedingungen im Senegal einsetzen.
Kurt Beck, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz
Grußwort der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul
Seit 20 Jahren leisten Sie „Hilfe zur Selbsthilfe“ – das ist eine lange Zeit, auf die Ihr Verein mit Stolz zurückblicken kann. Zu diesem Jubiläum gratuliere ich sehr herzlich und möchte mich für das bemerkenswerte und herausragende entwicklungspolitische Engagement bei allen aktiven und fördernden Mitgliedern des Senegalhilfe-Vereins e.V. bedanken. Während dieser Jahre haben Sie sich großen Herausforderungen gestellt und manche Hürden genommen. Von den größeren Renovierungsarbeiten, Erweiterungsprojekten und Neubauten möchte ich nur den Bau der Vorschule in Ndianda und der Schule in Louly-Ndia erwähnen: Indem Sie Kindern eine Chance geben, ihre Fähigkeiten zu entwickeln, tätigen Sie die wichtigste Investition in die Zukunft überhaupt!
Besonders beeindruckend ist Ihr Einsatz für sozial benachteiligte Menschen wie körperlich Behinderte, Flüchtlinge, Frauen und Kinder. Bei den Behindertenzentren in Mbour,Thiès und Tivaouane gehen Sie weit über die bloße Betreuung von Benachteiligten hinaus, wenn Sie Schneider, Schuhmacher, Buchbinder und Mechaniker ausbilden, damit sie sich eine eigene Existenz gründen können. Sie vergessen auch nicht die Ausbildung der jungen Mädchen, die schon früh einen wichtigen Beitrag zum Familieneinkommen leisten. Seit dem Jahr 1987 hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung immer wieder finanziell zu Ihren Projekten beigetragen. Entscheidend aber war und ist Ihr Einsatz und Ihre Arbeit, die Sie fortlaufend geleistet haben, unabhängig von medienwirksamen aktuellen Meldungen. Über der grandiosen Hilfsbereitschaft der Weltbevölkerung angesichts der Jahrhundertkatastrophe, die jetzt Südasien betroffen hat, dürfen wir nicht vergessen, dass an vielen Stellen dieser Erde Unterstützung und Ermutigung kontinuierlich dringend nötig sind. Die Angebote, die Sie machen, werden dringend gebraucht. Darüber hinaus tragen Sie viel zum Verständnis zwischen Menschen in Senegal und Deutschland bei und ich möchte Sie auffordern, in Ihren Anstrengungen nicht nach zu lassen. Die großen Aufgaben dieses Jahrhunderts Frieden, Entwicklung und Gerechtigkeit fordern uns weiter heraus.
Ich wünsche Ihnen für Ihre Arbeit auch in Zukunft viel Kraft und Erfolg. Mögen sich viele andere ein Beispiel an Ihnen nehmen!
Rechenschaft geben – Zukunft planen Doris Racke´
„Der ferne Nächste“, mit diesem Slogan startete die Aktion „Brot für die Welt“ vor über 50 Jahren die bisher größte Hilfsaktion der evangelischen Kirchen in Deutschland. Wer ist der ferne Nächste? Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter erzählt Jesus von einem Menschen, der zwischen Jerusalem und Jericho von Räubern zusammengeschlagen wird und halbtot am Wegesrand liegen bleibt. Ein Samariter, der auf der Reise war, geht nicht vorüber wie seine beiden Vorgänger. Er bleibt stehen, sieht das ganze Elend des Niedergeschlagenen und tut, was notwendig ist, um ihm zu helfen. Er wird zum Nächsten.
Heute liegen die Stationen der Nächstenliebe nicht nur auf den Wegstrecken des alltäglichen Lebens. Die Schicksale der fernen Nächsten in den Ländern der Dritten Welt sind uns nahe gekommen. Wir kennen ihre Lage aus den Berichten der Medien, wir haben im Fernsehen die schrecklichen Bilder des Elends vor Augen oder auf einer Reise eigene Eindrücke vor Ort gewonnen. Die weiten Entfernungen spielen heute keine Rolle mehr. Der ferne Nächste ist ganz in unsere Nähe gerückt. Dies empfanden wir auch, als wir im Sommer 1982 zum ersten Mal ein schwarzafrikanisches Land besuchten. Ein bekanntes deutsches Reiseunternehmen hat damals ein interessantes Angebot gemacht, und so flogen wir, mein Mann und ich zusammen mit unseren Freunden Gerhard und Ursula Jung, nach Senegal. Im Club Aldiana, nahe bei der Stadt Mbour am Atlantischen Ozean, verbrachten wir zunächst traumhafte Urlaubstage. Es stimmte alles, was man von einem schönen Urlaub erwartet: ein Hotel mit europäischem Komfort, Sonne, Strand und Meer, viel Ruhe und, wenn man wollte, attraktive Freizeitangebote. Aber nach einigen Tagen zog es uns nach draußen. Wir verlassen unser abgeschirmtes Ferienparadies und erleben plötzlich eine ganz andere Wirklichkeit. Wir sind fasziniert von der bunten Vielfalt des Lebens in den Dörfern unserer Umgebung und von den fröhlichen Menschen in ihren farbenprächtigen Gewändern. Wir sehen das Lachen der unendlich vielen Kinder. Mehr und mehr fällt uns aber auch die unbeschreibliche Armut auf. Und wir begegnen vielen kranken Menschen, vor allem in einem Lepradorf, das wir zufällig entdecken.
Diese ersten Erfahrungen einer ganz anderen Wirklichkeit lassen uns keine Ruhe. Nach einer zweiten Reise bin ich entschlossen, meine Kräfte für Senegal einzusetzen und dafür Freundinnen und Freunde zu gewinnen. Wir fangen an mit humanitärer Hilfe, die der medizinischen Versorgung von Leprakranken und Krankenhauspatienten gilt. Vor allem aber lernen wir Menschen kennen. Aus diesen Kontakten gewinnen unsere Überlegungen und Ideen immer wieder konkrete Formen. Nach und nach erkennen wir auch, dass unsere Bemühungen nur dann sinnvoll sind, wenn sie die Empfänger unserer Hilfe fähig machen, sich selbst helfen zu können. Hilfe zur Selbsthilfe – aus eigener Erfahrung haben wir dieses Ziel entdeckt. Aus diesen bescheidenen Anfängen sind bis heute mehr als hundert kleine, mittlere und auch einige große Projekte entstanden.
Schon bald hat sich die Notwendigkeit gezeigt, einen gemeinnützigen Verein zu gründen, der für die finanzielle Förderung der Arbeit in Senegal Spenden entgegennehmen und Spendenbescheinigungen ausstellen darf. Am 13. Februar 1985 haben wir dann in unserem Wohnzimmer in Hofstätten, mitten im Pfälzer Wald , den Senegalhilfe-Verein e.V. gegründet. Das 20jährige Bestehen des Senegalhilfe-Vereins gibt mir Anlass, an die Gründungsmitglieder zu erinnern. Es sind dies : Paul Brechtel, Astrid Diehl, Dr. Klaus Diehl, Gerhard Jung, Ursula Jung, Joseph Krekeler, Dieter Racké, Doris Racké und Dr. Walter Reichhold. Letzterer war der erste deutsche Botschafter in Senegal, mit seiner vielfältigen Sachkenntnis immer ein guter Ratgeber für unsere Arbeit. Er ist 2001 verstorben. Besonders schmerzlich hat uns der plötzliche Tod von Gerhard Jung am Jahresende 2004 getroffen. Unermüdlich und vielseitig begabt hat er sich in großer Treue hier und in Senegal für unsere gemeinsamen Aufgaben bis zuletzt eingesetzt.
Eine entscheidende Wende in der Entwicklung unserer Arbeit brachte die Begegnung mit Khady Guèye. Die junge behinderte Frau, die sich in Mbour und auch im nationalen Behindertenverband für die Belange der Körperbehinderten wie keine andere einsetzte, sie überzeugte uns mit ihren Argumenten und mit der Zähigkeit, mit der sie diese vertrat. Am Ende bauten wir 1988 das erste Behindertenzentrum in Mbour, dem schon ein Jahr später ein zweites in Thiès folgte. Zehn Jahre später entstand ein drittes Behindertenzentrum in der Stadt Tivaouane, nördlich von Thiès. Damit wurde eindeutig in der Behindertenarbeit ein Schwerpunkt des Senegalhilfe-Vereins e.V. gesetzt. Zur Grundstruktur dieser drei Zentren gehört das Angebot einer handwerklichen Ausbildung.
Schon bald haben wir erkannt, dass junge Leute, die ein Handwerk erlernt haben, eine ihrer Ausbildung entsprechende Tätigkeit finden oder sich sogar selbständig machen können. In unseren Behindertenzentren gibt es Werkstätten für Schneider, Schlosser,Rollstuhlbauer, Buchbinder und zur Herstellung von Batikstoffen. Interessant ist es gerade bei den Batikstoffen, dass zwischen Herstellung und Vermarktung ein regelrechter Kreislauf entsteht. Meistens stammen die Stoffe aus Haushaltsauflösungen in Deutschland. Weiße Tisch -und Bettwäsche ist besonders geeignet. Sie geht dann in Containern auf dem Seeweg oder in den Koffern der Mitarbeiterinnen auf dem Luftweg nach Senegal. Dort werden die Stoffe nach alter Tradition kunstvoll gebatikt. Farbenprächtige Muster verwandeln das klassische Weiß der ehemaligen Aussteuerwäsche. Die Batikstoffe werden dann gewaschen, in die Schneidereien gebracht und zu Tischdecken, Servietten, Kissenhüllen, Kleidungsstücken, Handtaschen und Rucksäcken, Einkaufs – und Badetaschen verarbeitet. Für die Schneidereien ist dies eine zusätzliche Einnahmequelle. All die schönen Dinge, die sie herstellen, treten wieder den Weg nach Deutschland an und werden hier auf Sommerfesten, Gemeinde – und Schulfesten, auf Kultur – und Weihnachtsmärkten angeboten. Die Nachfrage ist glücklicherweise sehr groß. Der Verkaufserlös fließt der Senegalhilfe-Stiftung zu. Damit endet der Kreislauf dort, wo er begonnen hat, etwas mühsam, aber hilfreich und sinnvoll.
Der Gedanke der Behindertenarbeit fand in dem Zentrum in Mbour noch eine besondere Ausprägung. In der 1996 gebauten Annexe wurde eine orthopädische Abteilungeingerichtet. Khady Gueye hatte auch dazu den Anstoß gegeben. Vor allem aber konnte sie Dr. Cheikh Guindo, einen bekannten Facharzt für Orthopädie in Dakar, für die Mitarbeit gewinnen. Dr. Guindo hält seit 1996 ununterbrochen zwei bis drei mal im Monat Sprechstunde in unserer Annexe in Mbour. Die Terrasse, die als Warteraum dient, ist dann immer überfüllt. Die Patienten sind dankbar, dass ihnen die mühsame und teure Reise nach Dakar erspart bleibt. Eine eigens ausgebildete Krankengymnastin unterstützt Dr. Guindo bei der Arbeit. Außerdem hat der Senegalhilfe-Verein e. V. neben der Praxis eine moderne orthopädietechnische Werkstatt eingerichtet. Die beiden dort tätigen Orthopädietechniker stellen auf Anweisung von Dr. Guindo alle erforderlichen orthopädischen Hilfsmittel her. Sie werden darin von einem unserer Schuhmacher unterstützt, der eine Zusatzausbildung gemacht hat und nun auch orthopädische Schuhe herstellen kann. Wie finanziert sich eine solche Einrichtung in einem Land, das keine allgemeine Sozialversicherung kennt? Auch wenn die Patienten einen kleinen Beitrag für die Behandlung zahlen müssen, bleibt die orthopädische Abteilung abhängig von den Spenden und Zuschüssen derer, die ein Herz für Behinderte haben. Als die Annexe eingeweiht wurde, lebte Khady Gueye, die selbst schwer behindert war, nicht mehr. Sie starb 1995 auf der Rückreise von einer Sitzung des Nationalen Behindertenverbandes in Dakar bei einem Verkehrsunfall in einer völlig überbesetzten Buschtaxe. Ich habe mit ihr eine kritische Weggefährtin, eine hilfreiche Beraterin und zuletzt auch eine gute Freundin verloren.
Die Konzeption unserer Behindertenzentren umfasst noch einige andere Bereiche, die über die Zielgruppe der Behinderten hinausgehen. Dazu gehören die Kindergärten in Mbour und Thiès, die einen guten Namen haben, und die Hauswirtschaftsklassen, die den jungen Mädchen nach Abschluss der Schulzeit offen stehen und Kenntnisse und Fähigkeiten für Haushalt und Familie vermitteln. Der Gesundheitsfürsorge dienen Krankenpflegestationen, die mit Fachkräften besetzt sind und vielfältige Hilfe leisten. Nicht zu vergessen sind die Angebote im musisch-kulturellen Bereich. Die Trommler -, Tanz – und Theatergruppen, in denen Behinderte und Nichtbehinderte Freizeit für sich und andere gestalten, vermitteln und leben afrikanische Kultur und Folklore.
Es wird uns immer wieder bestätigt, dass der Senegalhilfe-Verein e. V. mit seinen Einrichtungen für Behinderte eine Pionierarbeit geleistet habe. Der Rat unserer Mitarbeiter und unsere eigenen Erfahrungen sind gefragt, wenn es darum geht, soziale Strukturen für Behinderte innerhalb von Staat und Gesellschaft zu schaffen. Wir freuen uns auch darüber, dass wir hier in Deutschland von staatlicher und karitativer Seite ermuntert werden, unsere Kompetenz für Behindertenarbeit in einem Entwicklungsland einzubringen und zu erweitern. Die erfreuliche Entwicklung der Behindertenzentren ist aber letzten Endes den senegalesischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verdanken, vor allem denjenigen, die die schwierige Aufgabe der Leitung übernommen haben: Mamadou Fall und Ndiouga Ndaye in Mbour, Cheikh Top (bis 2003 Aida Gueye) in Thiès sowie Aziz Diop und Madame Aidara in Tivaouane.
Neuen Auftrieb haben auch die jüngsten Projekte gegeben. Im Flüchtlingsdorf Louly-Ndia ist im vergangenen Jahr ein viertes Klassengebäudemit Lehrerwohnung und Gruppenraum für eine sinnvolle Freizeitgestaltung der Schüler außerhalb des Unterrichtes gebaut und eingerichtet worden. Ein junger Lehrer engagiert sich nicht nur für diese Aufgabe, sondern hat auch begonnen, den Schulgarten neu zu gestalten, um mit den Einnahmen besondere schulische Aktivitäten zu finanzieren. Auch der Kindergarten unter der Leitung von Madeleine Basse hat neues Leben in das Dorf gebracht und natürlich neue Chancen für die Erziehung der Kinder.
Das andere Projekt befindet sich in Ndianda einem Dorf bei Joal, das noch ganz traditionell strukturiert ist. Dort wird demnächst der dreiklassige Kindergarten eingeweiht, den wir in Verbindung mit der zuständigen Inspektorin Madame Sène gebaut haben. Das ganze Dorf hat uns vor Baubeginn unter dem Palaverbaum empfangen. Die Verantwortlichen des Dorfes haben den Dank ausgesprochen und der Elternbeirat hat die Bereitschaft der Eltern erklärt, durch monatliche Beiträge die Finanzierung der Erzieherinnen sicher zu stellen.
Die Liste der Projekte des Senegalhilfe-Vereins e. V. ist lang geworden. Sie umfasst mehr als einhundert kleine, mittlere und große Projekte. Ich staune, wenn ich zurückschaue, und ich staune noch mehr, wenn ich feststelle, dass die meisten gelungen sind. Daneben gibt es noch viele Bemühungen, die das Einzelschicksal von Menschen und Familien betreffen. Ich denke an die Kranken, die vor unserer Tür stehen, ärztliche Hilfe brauchen, die Medikamente nicht bezahlen können und kein Geld für die Fahrt zum Krankenhaus haben. Oder an Menschen, die in sozialer Notlage hungern und darben. Wir können uns der unmittelbaren menschlichen Hilfe nicht absolut verschließen, aber zugleich wissen wir auch, dass wir langfristig die Verhältnisse nur ändern können, wenn wir mit unseren Projekten Hilfe zur Selbsthilfe leisten und da in erster Linie unsere Spendenmittel investieren. Wie gut ist es aber auch, dass es hier Freundinnen und Freunde gibt, die eine persönliche Patenschaft übernommen haben, um Menschen in Not zu helfen oder auch Jugendlichen den Besuch einer höheren Schule zu ermöglichen. Immerhin sind es 14.351,64 €, die im Jahr 2005 zur Verfügung gestellt werden.
Manchmal kehren wir an den Ursprungsort unserer Arbeit für die Menschen in Senegal zurück. Im Club Aldiana verbringen nach wie vor viele Touristen einen traumhaften Urlaub. Warum sollen wir nicht nach allem Stress für einige Stunden Urlaubsatmosphäre genießen? Aber zugleich hat sich unsere Rolle verändert. Denn auf dem Frühstücksbüffet stehen Marmelade und Sirup, die in unserer kleinen Marmeladefabrik hergestellt werden. Auch das Landwirtschaftliche Ausbildungszentrum in Sandiara ist Lieferant von Fleisch und Gemüse geworden. Es war unendlich schwer, mit unseren Produkten Zugang zu finden. Wenn wir nicht selbst die Waren präsentiert hätten, unsere senegalesischen Freunde hätten es alleine nicht geschafft. Heute gibt es keine Probleme mehr, zumal die Qualität unserer Produkte anerkannt ist. Am meisten freut mich aber, dass es der Tanz – und Theatergruppe des Behindertenzentrums in Mbour gelungen ist, alle zwei Wochen zu einer Soiree eingeladen zu werden. Die Veranstaltungen sind gut besucht, und die Akteure, zum Teil schwerstbehinderte junge Menschen, ernten großen Beifall. Auf eine ganz natürliche Weise ist es hier gelungen, dass sich Urlauber von der Begegnung mit Behinderten nicht mehr beeinträchtigt fühlen.
Zwanzig Jahre Senegalhilfe-Verein e. V. geben Anlass, auf die vielen Stationen eines Weges zu den fernen Nächsten zurückzuschauen, Rechenschaft über das Erreichte abzulegen und mit kritischem Augenmaß die Zukunft zu planen. Zu unseren Visionen gehört an erster Stelle, zwar auf die Planung neuer Projekte nicht zu verzichten, aber dem Ausbau und der Erhaltung der bestehenden Einrichtungen den Vorrang zu geben. Darin stimmen wir mit unseren senegalesischen Partnern überein. Eine noch engere Zusammenarbeit wird auch dadurch entstehen, dass im Jahr 2004 in Senegal ein Partnerverein gegründet wurde, der die Ziele des Senegalhilfe-Vereins e. V. unterstützt und Rechtsträger der von uns geschaffenen oder geplanten Projekte sein wird. Zum Vorsitzenden wurde Dipl. Ing. Condy Thiam gewählt, mit dem uns eine langjährige Zusammenarbeit verbindet. Im Vorstand arbeiten außerdem mit Mamadou Fall, der bewährte Leiter des Behindertenzentrums in Mbour, Dipl. Agraringenieur Cheikh Ndiaye, unser alter Freund und Berater, Mbaye Ly, Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Ausbildungszentrums Sandiara, der nunmehr das Zentrum leitet, und fünf deutsche Vertreter des Senegalhilfe-Verein e. V. Damit ist eine Institution geschaffen, die der bisherigen Zusammenarbeit eine neue Form geben wird.
Die Arbeit des Senegalhilfe-Vereins e. V. wird von ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragen, die aus ihrem Beruf oder aus ihrem sozialen Engagement Fähigkeiten und Kenntnisse mitbringen, die für Entwicklungsaufgaben erforderlich sind. Diese Lösung macht es möglich, dass fast alle Spendenmittel unmittelbar den Projekten in Senegal zufließen. Wir hoffen, dass auch in Zukunft dieses Modell ehrenamtlicher Mitarbeit tragfähig sein wird. Was uns zu dieser Hoffnung ermutigt, ist die Erfahrung dieser zwanzig Jahre. Immer wieder sind junge Menschen zu uns gestoßen, die in Senegal mitarbeiten und uns auch zu Hause verbunden bleiben und im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Unsere Visionen sind davon bestimmt, dass es in der Arbeit des Senegalhilfe-Vereins e. V. und in jedem unserer Projekte wie überall in der Entwicklungshilfe um die Planung der Zukunft geht. Wir arbeiten mit an der Lösung der großen Frage, ob das, was wir heute für die Menschen in dem unterentwickelten Teil der Erde tun, auch morgen noch eine Zukunft hat. Es gibt uns Mut und Hoffnung, wenn wir erleben, wie sich unsere senegalesischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Erfolg dafür einsetzen, dass die wirtschaftliche Unabhängigkeit in ihren Projekten wächst. Allerdings werden sie auch in Zukunft darauf angewiesen sein, dass sie bei allen größeren Instandsetzungsmaßnahmen und Investitionen in den Werkstätten mit unsrer Hilfe rechnen können. Zur langfristigen Absicherung der größeren Projekte haben wir deshalb am 9. August 2000 die Senegalhilfe-Stiftung gegründet. Trotz mancher Kritik haben wir uns zu diesem Weg entschlossen. Die Sorge, dass dadurch das Spendenaufkommen des Senegalhilfe-Vereins zurückgehen könnte, hat sich als gegenstandslos erwiesen. Bis zum 16. März 2005 ist das Stiftungskapital auf 384.303,00 € angewachsen. Wir verfolgen aber weiter das Ziel, das Stiftungskapital auf mindestens 500.000,00 € zu erhöhen. Eine besondere Perspektive, auf die wir auch in Zukunft nicht verzichten können, sind die Freundinnen und Freunde, die hier im Lande mit ihren Gaben unsere Arbeit in Senegal ermöglichen und auch durch Briefe und Telefonanrufe ihre Verbundenheit zum Ausdruck bringen. Wir sind dafür sehr dankbar. Unsere Rundbriefe, die dreimal im Jahr an jeweils 2300 Empfänger gehen, sollen auch weiterhin eine Brücke konkreter Information und wachsenden Vertrauens sein. Zwanzig Jahre Senegalhilfe-Verein, das bedeutet für uns, auf dem Weg zum fernen Nächsten zu bleiben und dabei konkrete Menschen zu entdecken, die unsere Nähe brauchen.
20 Jahre Jubiläum
20 Jahre Jubiläumsveranstaltung
Grußwort des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz
Liebe Mitglieder des Senegalhilfe-Vereins, sehr geehrte Gäste,
ich bedauere es sehr, heute nicht gemeinsam mit Ihnen das 20-Jährige Bestehen des Senegalhilfe-Vereins feiern zu können, und nutze gerne die Möglichkeit, Sie auf diesem Weg herzlich zu grüßen.
Die hervorragende Arbeit, die der Senegalhilfe-Verein leistet, verdient höchste Anerkennung. Ihre Unterstützung setzt da an, wo sie am nötigsten und am wirkungsvollsten ist: direkt bei den Menschen. Ähnlich versuchen wir, im Rahmen der so genannten „Graswurzelpartnerschaft“ des Landes Rheinland-Pfalz zu dem afrikanischen Staat Ruanda durch unmittelbaren Kontakt der Menschen Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Ihr Verein organisiert Projekte zur Kinderbetreuung und zur Berufsausbildung, zur Frauenförderung und zur Krankenversorgung, zur Entwicklung der Landwirtschaft und zur Kulturpflege. Ihr Hauptaugenmerk liegt mit Ihrer Behindertenarbeit auf dem Teil der Bevölkerung, der es auch in der afrikanischen Gesellschaft schwer hat. Allein die Fülle Ihrer Tätigkeitsbereiche macht deutlich, wie viel Einsatz Sie aufbringen müssen, um alle guten Ideen zu verwirklichen. Die Würdigung von ehrenamtlichem Engagement in Rheinland-Pfalz liegt mir sehr am Herzen. Deshalb ist es mir eine ganz außerordentliche Freude zu sehen, dass sich im Senegalhilfe-Verein nun schon seit 20 Jahren Menschen finden, die bereit sind, die Not anderer wahrzunehmen und tatkräftig Hilfe zu leisten. Ich darf Ihnen auch in diesem Sinne zu Ihrem Jubiläum sehr herzlich gratulieren.
Für die Zukunft wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer wichtigen Arbeit und hoffe, dass Sie immer wieder Mitstreiterinnen und Mitstreiter finden, die sich mit Ihnen gemeinsam für Verbesserung der Lebensbedingungen im Senegal einsetzen.
Kurt Beck, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz
Grußwort der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul
Seit 20 Jahren leisten Sie „Hilfe zur Selbsthilfe“ – das ist eine lange Zeit, auf die Ihr Verein mit Stolz zurückblicken kann. Zu diesem Jubiläum gratuliere ich sehr herzlich und möchte mich für das bemerkenswerte und herausragende entwicklungspolitische Engagement bei allen aktiven und fördernden Mitgliedern des Senegalhilfe-Vereins e.V. bedanken. Während dieser Jahre haben Sie sich großen Herausforderungen gestellt und manche Hürden genommen. Von den größeren Renovierungsarbeiten, Erweiterungsprojekten und Neubauten möchte ich nur den Bau der Vorschule in Ndianda und der Schule in Louly-Ndia erwähnen: Indem Sie Kindern eine Chance geben, ihre Fähigkeiten zu entwickeln, tätigen Sie die wichtigste Investition in die Zukunft überhaupt!
Besonders beeindruckend ist Ihr Einsatz für sozial benachteiligte Menschen wie körperlich Behinderte, Flüchtlinge, Frauen und Kinder. Bei den Behindertenzentren in Mbour, Thiès und Tivaouane gehen Sie weit über die bloße Betreuung von Benachteiligten hinaus, wenn Sie Schneider, Schuhmacher, Buchbinder und Mechaniker ausbilden, damit sie sich eine eigene Existenz gründen können. Sie vergessen auch nicht die Ausbildung der jungen Mädchen, die schon früh einen wichtigen Beitrag zum Familieneinkommen leisten. Seit dem Jahr 1987 hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung immer wieder finanziell zu Ihren Projekten beigetragen. Entscheidend aber war und ist Ihr Einsatz und Ihre Arbeit, die Sie fortlaufend geleistet haben, unabhängig von medienwirksamen aktuellen Meldungen. Über der grandiosen Hilfsbereitschaft der Weltbevölkerung angesichts der Jahrhundertkatastrophe, die jetzt Südasien betroffen hat, dürfen wir nicht vergessen, dass an vielen Stellen dieser Erde Unterstützung und Ermutigung kontinuierlich dringend nötig sind. Die Angebote, die Sie machen, werden dringend gebraucht. Darüber hinaus tragen Sie viel zum Verständnis zwischen Menschen in Senegal und Deutschland bei und ich möchte Sie auffordern, in Ihren Anstrengungen nicht nach zu lassen. Die großen Aufgaben dieses Jahrhunderts Frieden, Entwicklung und Gerechtigkeit fordern uns weiter heraus.
Ich wünsche Ihnen für Ihre Arbeit auch in Zukunft viel Kraft und Erfolg. Mögen sich viele andere ein Beispiel an Ihnen nehmen!
Rechenschaft geben – Zukunft planen Doris Racke´
„Der ferne Nächste“, mit diesem Slogan startete die Aktion „Brot für die Welt“ vor über 50 Jahren die bisher größte Hilfsaktion der evangelischen Kirchen in Deutschland. Wer ist der ferne Nächste? Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter erzählt Jesus von einem Menschen, der zwischen Jerusalem und Jericho von Räubern zusammengeschlagen wird und halbtot am Wegesrand liegen bleibt. Ein Samariter, der auf der Reise war, geht nicht vorüber wie seine beiden Vorgänger. Er bleibt stehen, sieht das ganze Elend des Niedergeschlagenen und tut, was notwendig ist, um ihm zu helfen. Er wird zum Nächsten.
Heute liegen die Stationen der Nächstenliebe nicht nur auf den Wegstrecken des alltäglichen Lebens. Die Schicksale der fernen Nächsten in den Ländern der Dritten Welt sind uns nahe gekommen. Wir kennen ihre Lage aus den Berichten der Medien, wir haben im Fernsehen die schrecklichen Bilder des Elends vor Augen oder auf einer Reise eigene Eindrücke vor Ort gewonnen. Die weiten Entfernungen spielen heute keine Rolle mehr. Der ferne Nächste ist ganz in unsere Nähe gerückt. Dies empfanden wir auch, als wir im Sommer 1982 zum ersten Mal ein schwarzafrikanisches Land besuchten. Ein bekanntes deutsches Reiseunternehmen hat damals ein interessantes Angebot gemacht, und so flogen wir, mein Mann und ich zusammen mit unseren Freunden Gerhard und Ursula Jung, nach Senegal. Im Club Aldiana, nahe bei der Stadt Mbour am Atlantischen Ozean, verbrachten wir zunächst traumhafte Urlaubstage. Es stimmte alles, was man von einem schönen Urlaub erwartet: ein Hotel mit europäischem Komfort, Sonne, Strand und Meer, viel Ruhe und, wenn man wollte, attraktive Freizeitangebote. Aber nach einigen Tagen zog es uns nach draußen. Wir verlassen unser abgeschirmtes Ferienparadies und erleben plötzlich eine ganz andere Wirklichkeit. Wir sind fasziniert von der bunten Vielfalt des Lebens in den Dörfern unserer Umgebung und von den fröhlichen Menschen in ihren farbenprächtigen Gewändern. Wir sehen das Lachen der unendlich vielen Kinder. Mehr und mehr fällt uns aber auch die unbeschreibliche Armut auf. Und wir begegnen vielen kranken Menschen, vor allem in einem Lepradorf, das wir zufällig entdecken.
Diese ersten Erfahrungen einer ganz anderen Wirklichkeit lassen uns keine Ruhe. Nach einer zweiten Reise bin ich entschlossen, meine Kräfte für Senegal einzusetzen und dafür Freundinnen und Freunde zu gewinnen. Wir fangen an mit humanitärer Hilfe, die der medizinischen Versorgung von Leprakranken und Krankenhauspatienten gilt. Vor allem aber lernen wir Menschen kennen. Aus diesen Kontakten gewinnen unsere Überlegungen und Ideen immer wieder konkrete Formen. Nach und nach erkennen wir auch, dass unsere Bemühungen nur dann sinnvoll sind, wenn sie die Empfänger unserer Hilfe fähig machen, sich selbst helfen zu können. Hilfe zur Selbsthilfe – aus eigener Erfahrung haben wir dieses Ziel entdeckt. Aus diesen bescheidenen Anfängen sind bis heute mehr als hundert kleine, mittlere und auch einige große Projekte entstanden.
Schon bald hat sich die Notwendigkeit gezeigt, einen gemeinnützigen Verein zu gründen, der für die finanzielle Förderung der Arbeit in Senegal Spenden entgegennehmen und Spendenbescheinigungen ausstellen darf. Am 13. Februar 1985 haben wir dann in unserem Wohnzimmer in Hofstätten, mitten im Pfälzer Wald , den Senegalhilfe-Verein e.V. gegründet. Das 20jährige Bestehen des Senegalhilfe-Vereins gibt mir Anlass, an die Gründungsmitglieder zu erinnern. Es sind dies : Paul Brechtel, Astrid Diehl, Dr. Klaus Diehl, Gerhard Jung, Ursula Jung, Joseph Krekeler, Dieter Racké, Doris Racké und Dr. Walter Reichhold. Letzterer war der erste deutsche Botschafter in Senegal, mit seiner vielfältigen Sachkenntnis immer ein guter Ratgeber für unsere Arbeit. Er ist 2001 verstorben. Besonders schmerzlich hat uns der plötzliche Tod von Gerhard Jung am Jahresende 2004 getroffen. Unermüdlich und vielseitig begabt hat er sich in großer Treue hier und in Senegal für unsere gemeinsamen Aufgaben bis zuletzt eingesetzt.
Eine entscheidende Wende in der Entwicklung unserer Arbeit brachte die Begegnung mit Khady Guèye. Die junge behinderte Frau, die sich in Mbour und auch im nationalen Behindertenverband für die Belange der Körperbehinderten wie keine andere einsetzte, sie überzeugte uns mit ihren Argumenten und mit der Zähigkeit, mit der sie diese vertrat. Am Ende bauten wir 1988 das erste Behindertenzentrum in Mbour, dem schon ein Jahr später ein zweites in Thiès folgte. Zehn Jahre später entstand ein drittes Behindertenzentrum in der Stadt Tivaouane, nördlich von Thiès. Damit wurde eindeutig in der Behindertenarbeit ein Schwerpunkt des Senegalhilfe-Vereins e.V. gesetzt. Zur Grundstruktur dieser drei Zentren gehört das Angebot einer handwerklichen Ausbildung.
Schon bald haben wir erkannt, dass junge Leute, die ein Handwerk erlernt haben, eine ihrer Ausbildung entsprechende Tätigkeit finden oder sich sogar selbständig machen können. In unseren Behindertenzentren gibt es Werkstätten für Schneider, Schlosser, Rollstuhlbauer, Buchbinder und zur Herstellung von Batikstoffen. Interessant ist es gerade bei den Batikstoffen, dass zwischen Herstellung und Vermarktung ein regelrechter Kreislauf entsteht. Meistens stammen die Stoffe aus Haushaltsauflösungen in Deutschland. Weiße Tisch -und Bettwäsche ist besonders geeignet. Sie geht dann in Containern auf dem Seeweg oder in den Koffern der Mitarbeiterinnen auf dem Luftweg nach Senegal. Dort werden die Stoffe nach alter Tradition kunstvoll gebatikt. Farbenprächtige Muster verwandeln das klassische Weiß der ehemaligen Aussteuerwäsche. Die Batikstoffe werden dann gewaschen, in die Schneidereien gebracht und zu Tischdecken, Servietten, Kissenhüllen, Kleidungsstücken, Handtaschen und Rucksäcken, Einkaufs – und Badetaschen verarbeitet. Für die Schneidereien ist dies eine zusätzliche Einnahmequelle. All die schönen Dinge, die sie herstellen, treten wieder den Weg nach Deutschland an und werden hier auf Sommerfesten, Gemeinde – und Schulfesten, auf Kultur – und Weihnachtsmärkten angeboten. Die Nachfrage ist glücklicherweise sehr groß. Der Verkaufserlös fließt der Senegalhilfe-Stiftung zu. Damit endet der Kreislauf dort, wo er begonnen hat, etwas mühsam, aber hilfreich und sinnvoll.
Der Gedanke der Behindertenarbeit fand in dem Zentrum in Mbour noch eine besondere Ausprägung. In der 1996 gebauten Annexe wurde eine orthopädische Abteilung eingerichtet. Khady Gueye hatte auch dazu den Anstoß gegeben. Vor allem aber konnte sie Dr. Cheikh Guindo, einen bekannten Facharzt für Orthopädie in Dakar, für die Mitarbeit gewinnen. Dr. Guindo hält seit 1996 ununterbrochen zwei bis drei mal im Monat Sprechstunde in unserer Annexe in Mbour. Die Terrasse, die als Warteraum dient, ist dann immer überfüllt. Die Patienten sind dankbar, dass ihnen die mühsame und teure Reise nach Dakar erspart bleibt. Eine eigens ausgebildete Krankengymnastin unterstützt Dr. Guindo bei der Arbeit. Außerdem hat der Senegalhilfe-Verein e. V. neben der Praxis eine moderne orthopädietechnische Werkstatt eingerichtet. Die beiden dort tätigen Orthopädietechniker stellen auf Anweisung von Dr. Guindo alle erforderlichen orthopädischen Hilfsmittel her. Sie werden darin von einem unserer Schuhmacher unterstützt, der eine Zusatzausbildung gemacht hat und nun auch orthopädische Schuhe herstellen kann. Wie finanziert sich eine solche Einrichtung in einem Land, das keine allgemeine Sozialversicherung kennt? Auch wenn die Patienten einen kleinen Beitrag für die Behandlung zahlen müssen, bleibt die orthopädische Abteilung abhängig von den Spenden und Zuschüssen derer, die ein Herz für Behinderte haben. Als die Annexe eingeweiht wurde, lebte Khady Gueye, die selbst schwer behindert war, nicht mehr. Sie starb 1995 auf der Rückreise von einer Sitzung des Nationalen Behindertenverbandes in Dakar bei einem Verkehrsunfall in einer völlig überbesetzten Buschtaxe. Ich habe mit ihr eine kritische Weggefährtin, eine hilfreiche Beraterin und zuletzt auch eine gute Freundin verloren.
Die Konzeption unserer Behindertenzentren umfasst noch einige andere Bereiche, die über die Zielgruppe der Behinderten hinausgehen. Dazu gehören die Kindergärten in Mbour und Thiès, die einen guten Namen haben, und die Hauswirtschaftsklassen, die den jungen Mädchen nach Abschluss der Schulzeit offen stehen und Kenntnisse und Fähigkeiten für Haushalt und Familie vermitteln. Der Gesundheitsfürsorge dienen Krankenpflegestationen, die mit Fachkräften besetzt sind und vielfältige Hilfe leisten. Nicht zu vergessen sind die Angebote im musisch-kulturellen Bereich. Die Trommler -, Tanz – und Theatergruppen, in denen Behinderte und Nichtbehinderte Freizeit für sich und andere gestalten, vermitteln und leben afrikanische Kultur und Folklore.
Es wird uns immer wieder bestätigt, dass der Senegalhilfe-Verein e. V. mit seinen Einrichtungen für Behinderte eine Pionierarbeit geleistet habe. Der Rat unserer Mitarbeiter und unsere eigenen Erfahrungen sind gefragt, wenn es darum geht, soziale Strukturen für Behinderte innerhalb von Staat und Gesellschaft zu schaffen. Wir freuen uns auch darüber, dass wir hier in Deutschland von staatlicher und karitativer Seite ermuntert werden, unsere Kompetenz für Behindertenarbeit in einem Entwicklungsland einzubringen und zu erweitern. Die erfreuliche Entwicklung der Behindertenzentren ist aber letzten Endes den senegalesischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verdanken, vor allem denjenigen, die die schwierige Aufgabe der Leitung übernommen haben: Mamadou Fall und Ndiouga Ndaye in Mbour, Cheikh Top (bis 2003 Aida Gueye) in Thiès sowie Aziz Diop und Madame Aidara in Tivaouane.
Neuen Auftrieb haben auch die jüngsten Projekte gegeben. Im Flüchtlingsdorf Louly-Ndia ist im vergangenen Jahr ein viertes Klassengebäude mit Lehrerwohnung und Gruppenraum für eine sinnvolle Freizeitgestaltung der Schüler außerhalb des Unterrichtes gebaut und eingerichtet worden. Ein junger Lehrer engagiert sich nicht nur für diese Aufgabe, sondern hat auch begonnen, den Schulgarten neu zu gestalten, um mit den Einnahmen besondere schulische Aktivitäten zu finanzieren. Auch der Kindergarten unter der Leitung von Madeleine Basse hat neues Leben in das Dorf gebracht und natürlich neue Chancen für die Erziehung der Kinder.
Das andere Projekt befindet sich in Ndianda einem Dorf bei Joal, das noch ganz traditionell strukturiert ist. Dort wird demnächst der dreiklassige Kindergarten eingeweiht, den wir in Verbindung mit der zuständigen Inspektorin Madame Sène gebaut haben. Das ganze Dorf hat uns vor Baubeginn unter dem Palaverbaum empfangen. Die Verantwortlichen des Dorfes haben den Dank ausgesprochen und der Elternbeirat hat die Bereitschaft der Eltern erklärt, durch monatliche Beiträge die Finanzierung der Erzieherinnen sicher zu stellen.
Die Liste der Projekte des Senegalhilfe-Vereins e. V. ist lang geworden. Sie umfasst mehr als einhundert kleine, mittlere und große Projekte. Ich staune, wenn ich zurückschaue, und ich staune noch mehr, wenn ich feststelle, dass die meisten gelungen sind. Daneben gibt es noch viele Bemühungen, die das Einzelschicksal von Menschen und Familien betreffen. Ich denke an die Kranken, die vor unserer Tür stehen, ärztliche Hilfe brauchen, die Medikamente nicht bezahlen können und kein Geld für die Fahrt zum Krankenhaus haben. Oder an Menschen, die in sozialer Notlage hungern und darben. Wir können uns der unmittelbaren menschlichen Hilfe nicht absolut verschließen, aber zugleich wissen wir auch, dass wir langfristig die Verhältnisse nur ändern können, wenn wir mit unseren Projekten Hilfe zur Selbsthilfe leisten und da in erster Linie unsere Spendenmittel investieren. Wie gut ist es aber auch, dass es hier Freundinnen und Freunde gibt, die eine persönliche Patenschaft übernommen haben, um Menschen in Not zu helfen oder auch Jugendlichen den Besuch einer höheren Schule zu ermöglichen. Immerhin sind es 14.351,64 €, die im Jahr 2005 zur Verfügung gestellt werden.
Manchmal kehren wir an den Ursprungsort unserer Arbeit für die Menschen in Senegal zurück. Im Club Aldiana verbringen nach wie vor viele Touristen einen traumhaften Urlaub. Warum sollen wir nicht nach allem Stress für einige Stunden Urlaubsatmosphäre genießen? Aber zugleich hat sich unsere Rolle verändert. Denn auf dem Frühstücksbüffet stehen Marmelade und Sirup, die in unserer kleinen Marmeladefabrik hergestellt werden. Auch das Landwirtschaftliche Ausbildungszentrum in Sandiara ist Lieferant von Fleisch und Gemüse geworden. Es war unendlich schwer, mit unseren Produkten Zugang zu finden. Wenn wir nicht selbst die Waren präsentiert hätten, unsere senegalesischen Freunde hätten es alleine nicht geschafft. Heute gibt es keine Probleme mehr, zumal die Qualität unserer Produkte anerkannt ist. Am meisten freut mich aber, dass es der Tanz – und Theatergruppe des Behindertenzentrums in Mbour gelungen ist, alle zwei Wochen zu einer Soiree eingeladen zu werden. Die Veranstaltungen sind gut besucht, und die Akteure, zum Teil schwerstbehinderte junge Menschen, ernten großen Beifall. Auf eine ganz natürliche Weise ist es hier gelungen, dass sich Urlauber von der Begegnung mit Behinderten nicht mehr beeinträchtigt fühlen.
Zwanzig Jahre Senegalhilfe-Verein e. V. geben Anlass, auf die vielen Stationen eines Weges zu den fernen Nächsten zurückzuschauen, Rechenschaft über das Erreichte abzulegen und mit kritischem Augenmaß die Zukunft zu planen. Zu unseren Visionen gehört an erster Stelle, zwar auf die Planung neuer Projekte nicht zu verzichten, aber dem Ausbau und der Erhaltung der bestehenden Einrichtungen den Vorrang zu geben. Darin stimmen wir mit unseren senegalesischen Partnern überein. Eine noch engere Zusammenarbeit wird auch dadurch entstehen, dass im Jahr 2004 in Senegal ein Partnerverein gegründet wurde, der die Ziele des Senegalhilfe-Vereins e. V. unterstützt und Rechtsträger der von uns geschaffenen oder geplanten Projekte sein wird. Zum Vorsitzenden wurde Dipl. Ing. Condy Thiam gewählt, mit dem uns eine langjährige Zusammenarbeit verbindet. Im Vorstand arbeiten außerdem mit Mamadou Fall, der bewährte Leiter des Behindertenzentrums in Mbour, Dipl. Agraringenieur Cheikh Ndiaye, unser alter Freund und Berater, Mbaye Ly, Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Ausbildungszentrums Sandiara, der nunmehr das Zentrum leitet, und fünf deutsche Vertreter des Senegalhilfe-Verein e. V. Damit ist eine Institution geschaffen, die der bisherigen Zusammenarbeit eine neue Form geben wird.
Die Arbeit des Senegalhilfe-Vereins e. V. wird von ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragen, die aus ihrem Beruf oder aus ihrem sozialen Engagement Fähigkeiten und Kenntnisse mitbringen, die für Entwicklungsaufgaben erforderlich sind. Diese Lösung macht es möglich, dass fast alle Spendenmittel unmittelbar den Projekten in Senegal zufließen. Wir hoffen, dass auch in Zukunft dieses Modell ehrenamtlicher Mitarbeit tragfähig sein wird. Was uns zu dieser Hoffnung ermutigt, ist die Erfahrung dieser zwanzig Jahre. Immer wieder sind junge Menschen zu uns gestoßen, die in Senegal mitarbeiten und uns auch zu Hause verbunden bleiben und im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Unsere Visionen sind davon bestimmt, dass es in der Arbeit des Senegalhilfe-Vereins e. V. und in jedem unserer Projekte wie überall in der Entwicklungshilfe um die Planung der Zukunft geht. Wir arbeiten mit an der Lösung der großen Frage, ob das, was wir heute für die Menschen in dem unterentwickelten Teil der Erde tun, auch morgen noch eine Zukunft hat. Es gibt uns Mut und Hoffnung, wenn wir erleben, wie sich unsere senegalesischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Erfolg dafür einsetzen, dass die wirtschaftliche Unabhängigkeit in ihren Projekten wächst. Allerdings werden sie auch in Zukunft darauf angewiesen sein, dass sie bei allen größeren Instandsetzungsmaßnahmen und Investitionen in den Werkstätten mit unsrer Hilfe rechnen können. Zur langfristigen Absicherung der größeren Projekte haben wir deshalb am 9. August 2000 die Senegalhilfe-Stiftung gegründet. Trotz mancher Kritik haben wir uns zu diesem Weg entschlossen. Die Sorge, dass dadurch das Spendenaufkommen des Senegalhilfe-Vereins zurückgehen könnte, hat sich als gegenstandslos erwiesen. Bis zum 16. März 2005 ist das Stiftungskapital auf 384.303,00 € angewachsen. Wir verfolgen aber weiter das Ziel, das Stiftungskapital auf mindestens 500.000,00 € zu erhöhen. Eine besondere Perspektive, auf die wir auch in Zukunft nicht verzichten können, sind die Freundinnen und Freunde, die hier im Lande mit ihren Gaben unsere Arbeit in Senegal ermöglichen und auch durch Briefe und Telefonanrufe ihre Verbundenheit zum Ausdruck bringen. Wir sind dafür sehr dankbar. Unsere Rundbriefe, die dreimal im Jahr an jeweils 2300 Empfänger gehen, sollen auch weiterhin eine Brücke konkreter Information und wachsenden Vertrauens sein. Zwanzig Jahre Senegalhilfe-Verein, das bedeutet für uns, auf dem Weg zum fernen Nächsten zu bleiben und dabei konkrete Menschen zu entdecken, die unsere Nähe brauchen.
Doris Racke´